Jun 132016
 

Ich lese gerade, gegen Ende meiner Zeit in Ecuador das Buch „Kinder auf dem Wege zur Physik“ von Martin Wagenschein. Viele Darstellungen im Buch, vor allem die woertlichen Zitate von Kindern, haben mich nachdenklich gemacht. Vor allem der Umgang im Gespraech mit kindlichen Erklaerungen, der nicht verprellt, sondern ermutigt, erscheint mir eine grosse Herausforderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes. Dafuer muss ich mich erst einmal in die kindliche Welt (zurueck) hineindenken und von der Sache her denken.

Ich bin kein Grundschullehrer, aber auch in der Mittelstufe begegnen mir immer mal Erklaerungsansaetze, die nicht zutreffen, aber aus einer gewissen naiven, unbefangenne Sicht denkbar und schluessig erscheinen. Im Buch sind einige transkribierte Tonbandaufnahmen, die einen wertschaetzenden, fragenden Umgang mit solchen Erklaerungsansaetzen aufzeigen. Spontan auf kreative Ansaetze, die mir gar nicht in den Sinn kommen wuerden, geschickt zu reagieren finde ich nicht immer einfach. Aber die „Aufmachung“, die sich an echten Fragen orientiert und das genetische Prinzip (wo moeglich) einbezieht, verspricht nicht nur eine hohe Aktivierung, sondern auch die Schulung methodischer Kompetenzen, das entdeckende Forschen. „Warum schwimmt ein Schiff?“ oder „Wie kommt der Schall zum Ohr?“ sind einige der Problemstellungen, die Wagenschein thematisiert. Interessant bei den Aufnahmen der Unterrichtsgespraeche erscheint mir die Geduld, die aufgeworfenen Fragen als Lehrperson nicht zu klaeren, sondern durch den Raum „wandern zu lassen“ und mit neuen Fragen Zweifel zu saehen und zum Ausprobieren zu motivieren.

Warum ist der Gesamtwiderstand in einer Parallelschaltung kleiner als die Einzelwiderstaende und noch kleiner als die gleichen Widerstaende in Reihe geschaltet? Dieses Thema laesst sich guenstig motivieren, wenn eine Gluehbirne in die verschiedenen Schaltkreise eingebaut wird und die Helligkeit verglichen wird. Anders, interessanter formuliert heisst es dann: Wie kann es sein, dass eine Lampe heller in einer Parallelschaltung leuchtet als mit nur einem der Widerstaende, obwohl doch zwei Widerstaende statt einem im Schaltkreis sind? Es laesst sich ueber den Weg des Stromes argumentieren, der sich bei der einen Schaltung aufteilt, bei der anderen nicht. Darauf sind zwar kaum Schueler/innen gestossen, aber Verblueffung und Interesse waren bei dem Einstieg mit praktischer Demonstration bei Vielen (natuerlich nicht Allen) gross. Die richtigen Fragen zu stellen und passende Metaphern anzubieten statt fertige Erklaerungen braucht Zeit, Freiraeume die die Unterrichtstaktung nicht immer zulaesst und aktiv mitdenkende Schueler/innen, die sich an diese Form des Arbeitens gewoehnen muessen. Auch laesst sich nicht jedes Experiment im schulischen Rahmen umsetzen, so dass in der Konsequenz nur bestimmte Hypothesen validiert oder falsifiziert werden koennen. Aber dass Hypothesen von Schueler/innen vor dem Experimentieren aufgestellt und begruendet werden, habe ich in diesem Schuljahr als sehr bereichernd erlebt.

Das Buch ist nicht neu, aber fuer mich als Quereinsteiger in die Naturwissenschaften und die Physik eine anregende Hilfe, an meiner Unterrichtsplanung zu feilen. Und fuer die Informatik laesst sich auch Einiges uebertragen.

Ein Artikel, in dem sich viele Argumente und Ueberlegungen des Buches wiederfinden ist folgender: http://www.physik.uni-siegen.de/didaktik/pressespiegel/web/492160.html

  One Response to “Kinder auf dem Wege zur Physik”

  1. Danke für den Tipp, ich habe das Buch auf meine Wunschliste gesetzt.

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