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Fotografierte Straßenzüge Google kündigt Street-View-Start für Deutschland an

Aller Kritik und allen Diskussionen zum Trotz: Google führt Street View in Deutschland ein - noch in diesem Jahr. Auf ein genaueres Datum will sich der Konzern nicht festlegen. Erst einmal will man abwarten, wie viele Einsprüche noch bearbeitet werden müssen.
Street-View-Kamera: Die 20 größten deutschen Städte wurden Straße für Straße fotografiert

Street-View-Kamera: Die 20 größten deutschen Städte wurden Straße für Straße fotografiert

Foto: dapd

Das hat lange gedauert. Drei Jahre hat der Internetkonzern Google gebraucht, seinen Straßenpanoramadienst Street View nach Deutschland zu bringen. Jetzt soll es endlich so weit sein. Die 20 nach Einwohnerzahl größten Städte des Landes sollen bald online in dreidimensionalen Fotoansichten durchwanderbar sein. Dass es so lange gedauert hat, den bereits 2007 in den USA eingeführten Dienst nach Deutschland zu bringen, liegt an den ungeklärten Fragen: Wie sieht es um den Datenschutz aus? Wie kann man sein Recht auf Privatsphäre geltend machen?

Dass Google sich dieser Widerstände zum Trotz nicht davon abbringen ließ, monatelang deutsche Straßenzüge mit Spezialfahrzeugen abzufahren, zu fotografieren und diese Bilder zu einer Art riesiger digitaler Fototapete zusammenzubauen, hat ebenfalls einen einfachen Grund: Nachfrage.

Wie Street-View-Produktmanager Raphael Leiteritz ausführlich erklärte, sind die Deutschen, allen Diskussionen zum Trotz, schon jetzt treue Nutzer der Online-Fototapete. Aus keinem anderen Land, in dem Street View noch nicht angeboten wird, kommen so viele Aufrufe des Dienstes wie aus Deutschland. Vermutlich, so Leiteritz, würden viele Anwender die bebilderte Karte für ihre Urlaubsplanung nutzen. Etwa eine Million Mal wird der Dienst aus Deutschland aufgerufen, pro Tag.

Das erklärt auch, weshalb Google so bestrebt ist, Street View nach Deutschland zu bringen. Denn da, wo man sich Straßenzüge bereits als durchwanderbares Panoramafoto anschauen kann, hat die Nutzung von Google Maps um 20 Prozent zugenommen. Und mehr Nutzer bedeuten für Google mehr Geld. Schließlich verdient das Unternehmen seine Dollar-Milliarden mit Werbung - und die wird nach Seitenaufrufen, nach Klicks, bezahlt.

Vier Wochen Einspruchsfrist

Während die Einführung der Straßenpanoramen in anderen Ländern meist freudig beklatscht wurde, meldeten sich in Deutschland schon früh Kritiker zu Wort. Wie kann man verhindern, dass das eigene Haus von Google im Internet als Foto anklickbar gemacht wird? Schließlich legen viele Bürger viel Wert auf ihre Privatsphäre.

Solchen Menschen wird Google ab kommender Woche die Möglichkeit geben online einzufordern, die Bilder ihrer Gebäude unkenntlich zu machen. Dafür müssen Antragsteller auf einer speziell dafür eingerichtete Webseite  ihren Namen und ihre Adresse eingeben. Schon das dürfte manchem sauer aufstoßen.

Identitätsüberprüfung per Post

Doch dieser Schritt sei unumgänglich, sagt der Google-Datenschutzbeauftragte Per Meyerdierks gegenüber SPIEGEL ONLINE. Die Daten werden nicht nur gebraucht, um das entsprechende Gebäude in der Street-View-Datenbank zu finden, sie sind vor allem nötig, um einen Missbrauch der Einspruchsmöglichkeit zu verhindern - wenigstens teilweise. An den Adressaten nämlich sendet Google per Post einen Brief mit einem Bestätigungs-Code, den der wiederum online eingeben muss, um zu verifizieren, dass er tatsächlich an der angegebenen Adresse wohnt, die nicht erfasst werden soll.

Die Methode ist nicht neu und wird von Web-Diensten eingesetzt, um Identitäten zu überprüfen, vollkommen gefeit gegen Missbrauch ist sie nicht. So kann etwa der Mieter eines Hauses dessen Verbannung aus Street View fordern, ohne dass der Eigentümer davon etwas mitbekommt. Knifflig wird das Verfahren auch, wenn sich mehrere Parteien eine Adresse teilen, etwa in einem Mehrfamilienhaus. Oder wenn Gewerbebetriebe und Wohnungen am selben Ort residieren. Will etwa ein Restaurantbesitzer sein Lokal in Street View auffindbar machen, der darüber wohnende Mieter sein Zuhause aber anonymisiert wissen, werde der obere Teil des Gebäudes unkenntlich gemacht.

Dass dadurch Löcher in die digitale Panoramatapete gerissen werden, muss der Nutzer nicht befürchten. Statt die fraglichen Gebäude einfach auszuschneiden werden sie von Google extrem weichgezeichnet wiedergegeben, so dass keinerlei Einzelheiten erkennbar sind, versichert Leiteritz.

Rätselraten um die Zahl der Einsprüche

Lange warten sollte allerdings nicht, wer sein Anwesen aus Googles Weltbild tilgen lassen will. Sobald die Einspruch-Website online geht, gewährt der US-Konzern Einspruchwilligen vier Wochen Zeit, sich entweder online oder per Post zu melden, um eine Unkenntlichmachung ihres Gebäudes zu beantragen. Diese Frist setze man, um genug Zeit zu haben alle Anträge abzuarbeiten, zu prüfen und die entsprechenden Änderungen im Bildmaterial vorzunehmen, bevor Street View in Deutschland ans Netz geht.

Darüber, wie lange das dauern wird, scheint man sich bei Google allerdings nicht im Klaren zu sein. Der Konzern lehnt es ab, selbst eine grobe Schätzung dazu abzugeben, wie viele Menschen die Einspruchsmöglichkeit wohl nutzen werden. Selbst über die Zahl der bereits eingegangen Einsprüche versucht Google Stillschweigen zu bewahren. Erst nach beharrlichen Nachfragen gestanden die Google-Sprecher ein, dass Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner mit ihrer Angabe zumindest im richtigen Bereich liege, also bereits eine fünfstellige Zahl von Menschen, mindestens also Zehntausend, Einspruch erhoben haben.

Hoffnung auf den Promillebereich

Wie viele Wohnungs- und Gebäudeeigentümer sich dieser Gruppe noch anschließen werden, ist reine Spekulation. Google jedenfalls wird alles daran setzen, in den kommenden Wochen möglichst viele Menschen von den wirklichen oder vermeintlichen Vorzügen von Street View zu überzeugen - und gleichzeitig auf ihre Einspruchsmöglichkeit hinweisen. Ganz ungewöhnlich für den Online-Konzern sollen dafür massenweise Anzeigen in Tageszeitungen und Wochenzeitschriften geschaltet werden. Am Ende, so hofft man jedenfalls bei Google, wird sich die große Mehrheit dann für den Verbleib im digitalen Atlas aussprechen, also einfach stillhalten.

Google selbst schätzt - oder hofft - dass sich nur ein Promilleanteil der deutschen Bevölkerung gegen eine Präsenz in Street View ausspricht. Eine Hoffnung, die wohl begründet ist, schon weil der aktiv werden muss, der weiterhin netzanonym wohnen möchte.