Jun 012016
 

Ich hänge ja recht regelmäßig auf Twitter herum und lese auch gerne einmal Blogs von Kolleg/innen, die ähnliche berufliche Herausforderungen reflektieren und mir damit immer wieder interessante Impulse geben. Vor einigen Tagen habe ich einen Beitrag von Herrn Rau gelesen, in dem es um eine Blogparade von einem weiteren bloggenden Lehrer geht, zum Thema „Stress und Belastungen“.

Ich bin ja gerade in meinen letzten Wochen an einer Deutschen Auslandsschule, so dass ich sicher andere Faktoren in meinem Alltag habe, als Lehrer/innen in Deutschland.

Was ich in vielen Beiträgen und auch Gesprächen immer wiedererkenne ist das Thema der „Kleinigkeiten“, die zusätzlich zum Unterrichten anfallen. Klassische Stresssituationen, die ich in Hamburg und auch hier in Cuenca erlebt habe hängen oft mit einem Kopierer zusammen. Oder mit Technik, die ich aber immer gelassener einfach durch klassische Werkzeuge (Kreide) ersetze, falls sie streikt. Das Improvisieren gehört immer mal dazu, ist anstrengend aber selten belastend (das sehe ich ähnlich wie Herr Rau). Schliesslich bin ich nicht mehr im Referendariat und kann in der nächsten Stunde das aufgreifen, was heute nicht möglich war zu demonstrieren/präsentieren.

Die Stimmung im Kollegium halte ich ebenso für sehr relevant für mein emotionales Wohlergehen, wie das schon von Hilbert Meyer treffend formulierte „Arbeitsbündnis“ mit Schüler/innen. Klar, dass es nicht immer mit allen Spaß macht und es Konflikte gibt, aber diese sollten nicht dauerhaft sein und dazu führen, das ich keine Lust mehr habe am Unterrichten in einer Lerngruppe. Eine konstruktive Grundhaltung und ein gegenseitiges Interesse am Wohlergehen und Erfolg aller am Unterricht beteiligten sollte selbstverständlich sein, auch um Stress zu vermeiden.

Ansonsten muss ich sagen, dass mir aus meinem Nicht-Lehrer/innen Umfeld rückgemeldet wird, dass diese Berufsgruppe recht gerne meckert. Ich habe auch den Eindruck, dass das Thema Arbeitsbelastung und Stress ambivalent ist. Einerseits ist es fordernd und damit auch schon einmal anstrengend, viel intensive Zeit mit Kindern und Jugendlichen zu verbringen. Andererseits weiß ich noch aus meiner Zeit der Ausbildung in einem Betrieb, was für eine Arbeitsbelastung körperliche Arbeit mit sich bringt. So oder so denke ich ist immer der Ausgleich entscheidend. Nicht im „Dauerkontakt“ mit Menschen, Zeit für Handwerkliches, Künstlerisches und Garten ist für mich eine gute Möglichkeit Pause von Schule zu haben. Und sich von Personen, die viel klagen/meckern im Kollegium eher fernhalten.

Ich habe auch nicht das Bedürfnis, jeden Tag in sozialen Netzwerken über Schule zu lesen und zu schreiben, auch wenn ich den edchat gelegentlich (also nicht jede Woche, sondern dann wenn mir gerade danach ist) zu schätzen weiß. Blogs lesen und kommentieren könnte ich auch öfter, wenn ich weniger auf soziale Kontakte Rücksicht nehmen würde, aber das möchte ich nicht, daher versuche ich meine online-Zeit eher bewusst zu steuern und in Schranken zu halten.

Ein Thema, was sich besonders auf meinen Auslandsaufenthalt bezieht ist die Gelassenheit. Ein Stereotyp über Menschen in Lateinamerika ist die positive Einstellung und Gelassenheit zu vielen Dingen und in Umständen, die Europäer/innen überwiegend zur Verzweiflung treiben würden (oder es auch tun). An manchen Stellen erlebe ich dies, auch wenn ich nicht verallgemeinern möchte. Zudem kann Gelassenheit auch negative Seiten haben, beispielsweise wenn es darum geht, Missstände zu ändern.

Aber was ich aus meiner Zeit hier in Ecuador zum Thema „Umgang mit Stress“ mitnehmen kann ist eine konstruktive Grundhaltung, auch mal Abstand suchen wenn Dinge nicht so laufen, wie ich sie mir vorstelle, ich dies aber gerade nicht ändern kann und natürlich Geduld. Der Bus kommt nicht nur einige Minuten später, worüber sich manch Deutscher aufregt, sondern vielleicht erst morgen. Oder gar nicht. Und die Unterrichtsplanung wird kurzfristig zunichte gemacht, weil ein Gesetzt von einem Tag auf den anderen geändert wird (so geschehen im letzten Schuljahr), wegen Erdbebenalarm wird häufiger der Unterricht unterbrochen und Absprachen haben auf allen Ebenen einen anderen Stellenwert, um es neutral auszudrücken.

Auch wenn ich beinahe zwei Jahre hier bin, möchte ich vermeiden, Urteile zu fällen, aber der Stress hier rührt für mich persönlich aus ganz anderen Ecken als in Deutschland. Kommunikation, Kritik üben, Vereinbarungen und Regeln, all das läuft anders als in Deutschland. Und ein Kollegium, das verschiedene Sprachen spricht und verschiedene Erfahrungshintergründe hat, kann bereichernd aber auch anstrengend sein. Anstrengend aber nicht belastend. Zumindest wenn es als Herausforderung begriffen wird. Ich denke allgemein hilft es, mit Abstand die eigene Situation zu betrachten, um mit neuer Energie weiterzumachen, falls es mal viel auf einmal ist. Was haben wir für Privillegien als Lehrer/innen. Gerade hier in Ecuador wird mir bewusst, wie gut es mir geht und wie vielseitig meine Tätigkeit ist.

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