Feb 142020
 


Ich bin ein Freund offener Software, von Recycling und gesellschaftskritischem Abwägen von Technik und Material. Dennoch habe ich mir vor einiger Zeit ein iPad für schulische Zwecke zugelegt und möchte im folgenden Begründen, warum ich vorhabe, es in Zukunft noch ausgiebiger zu nutzen.

Es fing damit an, dass ich seit Beginn meines Schuldienstes in Hamburg vor dreieinhalb Jahren in verschiedenen Initiativen zur schulischen Nutzung digitaler Werkzeuge und Geräte beteiligt war.

Auf der Software-Seite gibt es viel Nützliches, viel Notwendiges aber auch einiges an Marketing-Strategie oder für den Schulalltag kaum brauchbare Angebote. Zunächst stellt sich die Frage der Zielsetzung des Einsatzes von Software in Schule. Zur Arbeitsorganisation in Form digitaler Klassenlisten, Notizen oder der Verwaltung personenbezogener Daten nutze ich weiterhin ein Papierbuch. Zum Einen, da ich damit Routine habe und es mir (noch?) keine Vorteile verschafft, Klassenlisten digital suchen zu müssen, statt sie bequem mit einem Handgriff aufzuschlagen. Zum Anderen, da ich so sichergehen kann, dass meine Noten nicht in falsche Hände geraten und ich mir über Datenschutzbestimmungen und Persönlichkeitsrechte weniger Gedanken machen muss. Und zum Dritten, da ich kein Freund von Automatisierung des Pädagogischen bin und Notengebung für mich nicht (reine) Berechnung ist, sondern eine Frage der Einschätzung der Leistung als Gesamtbild. Nicht ohne Grund lassen sich automatisch berechnete Noten in Software (z.B. das in Hamburg zentral verwendete DiViS) auch händisch anpassen. Hier genügt es mir zur Dokumentation meine Papier-Unterlagen zu haben und zugleich das Zeugnisprogramm rechnen zu lassen, da brauche ich keine zusätzliche Software und um die Datenschutz-Belange kann sich bequem die Behörde in ihrem zentralistischen System kümmern.

Dennoch ist es immer wieder nützlich, schnell vergängliche Notizen machen zu können, z.B. ToDo Listen für den Tag oder die Woche, die ich nun eher auf dem Tablet erledige. Elterngespräche oder Konflikte zwischen Schüler_innen dagegen dokumentiere ich in der Schülerakte aus Papier und zusätzlich in meinem Papierkalender, damit ich das zuverlässig vorliegen habe.

Schule ist auch Teil einer Behörde, ein geschützter Raum mit Privillegien und Verantwortung, der eine andere Umgangsweise erfordert, als Wissenschaftler_innen oder Medienunternehmen dies in Social Media oder auch in der vernetzten Öffentlichkeit des Internets haben. Hier sehe ich im Laufe der Jahre auch einen der Gründe, warum das Bloggen als Lehrer_in nicht so leichtfällt, wie wissenschaftlich oder medienpädagogisch interessierte Person. Viele Dinge des Alltags, die mich beschäftigen sind vertraulicher Natur (xy hat wieder das gemacht, woran liegt es?) oder es bedarf eines Zusatzaufwandes, die Materialien, Gedanken und Geschriebenes auf die öffentliche Wirkung zu überprüfen.

Selbstreflexiv: Dieser Blog-Artikel könnte von Vorgesetzten, Eltern und meinen eigenen Schülerinnen gelesen werden, auch potentiell zukünftige Vorgesetzte, Eltern und Schülerinnen. Daher bin ich z.B. auf Twitter auch fokussiert auf fachiche und didaktische Beiträge, mache Einschätzung zu einem Tool oder einem Ereignis, aber schreibe selten über Gefühle oder Persönliches. Ich würde mich ja auch nicht in die Pausenhalle, auf eine Lehrerkonferenz oder eine Elternversammlung stellen und laut aus meinem Privatleben berichten.

Dann gibt es die Nutzung von Informatiksystemen im Unterrichtskontext, die harte Technik. Hier könnte viel mehr passieren und ich mache gerade neue Erfahrungen, obwohl ich mich über zehn Jahre intensiv mit dem Thema beschäftige. Zur Zeit leite ich zusammen mit einer Kollegin eine Schulentwicklungsgruppe zu Digitalisierung in meiner Schule. Wir evaluieren die Bedürfnisse und Potentiale unseres Kollegiums in Bezug auf digitale Werkzeugnutzung im Unterrichtsgeschehen, haben auch erste Erfolge und entwickeln Ansätze für weitere konkrete Schritte im System.

Hierbei bin ich auf Reflector aufmerksam geworden, ein kostenpflichtiges Tool, mit dem sich der Bildschirm eines mobilen Endgerätes als Beamerbild spiegeln lässt. Das kann ich auch mit meinem Laptop über HDMI (Kabelgebunden, aber für viele Anwendungen ok). Aber was ich mit einem Tablet zusätzlich kann ist:

  1. Ergebnisse von Schüler*innen direkt per Kamera zügig an die Tafel bringen (per Foto oder Live-Kamera)
  2. Schüler*innnen auf dem Tablet an ihrem Platz Lösungen entwickeln lassen, ohne dass sie vorne am Smartboard schreiben müssen (wobei ich damit mein privates Gerät einem gewissen Risiko aussetze)
  3. Sollte die ganze Klasse mit ihrem Tablet ausgestattet sein, z.B. Hausaufgaben zügig vergleichen, da die verschiedenen Geräte schnell angesteuert werden können.

Zudem ist ein Tablet schnell griffbereit, handhabbar wie ein Skizzenblock und besonders für das Betrachten von digitalen Inhalten leichtfüßiger als Laptops. Smartphones dagegen haben einen recht kleinen Bildschirm und haben für den Unterricht keinen Vorteil gegenüber Tablets, außer, dass der überwiegende Teil der Schüler*innen sie bereits besitzt. Laptops sind für einige Aufgaben besser geeignet als Tablets, z.B. längere Texte verfassen oder für die umfangreichere Softwareentwicklung. Demgegenüber lassen sich Tablets zügig direkt verwenden, da sie meist in Standby gehalten werden und sind mobiler als Laptops einsetzbar, z.B. als Kamera zur Bild und Videoaufnahme.

Der Großteil von üblichen Unterrichtsformaten erscheint mir mit Tablets gegenüber Laptops gut realisierbar, da es sicht um häufigen Wechsel und meist einer Betrachtung von Medien handelt. In der Diskussion kristallisiert sich heraus, dass eine Ausstattung ganzer Klassen mit Tablets den Unterricht nicht nur methodisch und inhaltlich bereichern kann, sondern uns auch anders als bisher ermöglicht, unserer Pflicht als Schule nachzukommen, die von der Kultusministerkonferenz beschlossenen digitalen Kompetenzen umfangreich und systematisch zu fördern. Im Folgenden ein von mir erstellter Überblick über diese Kompetenzen:

Zur Zeit sind wir mit Laptopwägen und Smartboards recht gut ausgestattet, aber verglichen mit den Möglichkeiten, die persönliche Endgeräte mit sich bringen, ist die Nutzung recht beschaulich. Warum persönliche Endgeräte? Weil diese sich an die persönlichen Anforderungen anpassen lassen und weil sie Verbindlichkeit schaffen. Verschiedene Varianten sind denkbar.

Und warum ausgerechnet iPads? Die einheitliche Plattform mit an Schule angepasster Verwaltungssoftware zur Administration und unterrichtlichen Verwendung ist attraktiv für einen reibungslosen Ablauf. Schule ist eine sehr heterogene Umgebung, wo oft Zeit eine entscheidene Rolle spielt. In einer Unterrichtsstunde kostbare Minuten zu verlieren, um die Technik in den Griff zu bekommen kostet nicht nur Nerven, sondern führt oft dazu, dass Kolleginnen Technik vermeiden. Zudem sind die technischen Kenntnisse von Lehrerinnen sehr unterschiedlich und oft nicht besonders hoch, so dass es wenig Bereitschaft gibt, sich intensiv in Bereiche einzuarbeiten, die möglicherweise nach ein paar Jahren schon wieder nicht mehr nützlich sind. Sicher wäre hier auch eine informatisch-technische Grundbildung verpflichtend für alle Lehrer*innen in der Ausbildung wünschenswert, wie nun in der Schweiz umgesetzt, dies ist aber zur Zeit nicht abzusehen und würde auch nicht alle oben genannen Anforderungen nivellieren.

Sollte es möglich sein, die digitalen Arbeitsmaterialien und -ergebnisse von Schüler*innen weiterhin in einer schuleigenen oder Behördeneigenen Cloud / Speicher abzulegen, wie beispielsweise in einem Content Management System wie Moodle, können die Apple-eigenen Lösungen umgangen werden, um auf dieser Ebene möglichst datensparsam zu arbeiten.

Wichtig ist jedenfalls, in Schule Erfahrungen zu sammeln und auszutauschen, um auf dem Gebiet der Nutzung digitaler Lernumgebungen vor allem auch zum Erwerb der für den Alltag dringend benötigter Grundlagen zu digitalen Medien, Werkzeugen und Informatiksystemen wie von der KMK gefordert große Schritte aufzuholen und nicht noch weiter hinter die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zurückzufallen.

Jan 152015
 

Das neue Jahr hat begonnen, das Schulhalbjahr endet nun zum Februar und seit der Exkursion im November hat sich Vieles getan. Zum Einen sind die 10.Klassen von ihrem zweimonatigen Austausch nach Deutschland zurück und damit unterrichte ich wieder mehr Mathe. Zum Anderen ist für diesen Jahrgang national verpflichtend in Ecuador eine „participacion estudiantil“ also eine Art zusätzlicher, praxisorientierter AG, so dass meine SuS nun auch Sonnabend zur Schule müssen – und ich auch. Ich arbeite in einem Projekt mit, das sich mit Solarenergie beschäftigt. Außerdem sind wir in Physik DFU in den neunten Klassen gerade dabei, einen Monat Projektarbeit zu beenden.

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Okt 172014
 

Ab heute arbeiten wir im Mathe-Unterricht mit der offenen Plattform seacloud.cc. Thematisch steigen wir nun in die deskriptive Statistik ein. Aufmerksam geworden bin ich auf diese einfache und effektive Lösung zur digitalen „Materialverwaltung“ durch einen Kollegen an meiner Schule, der in seinem Fachunterricht in der gleichen Klasse ebenfalls Seacloud benutzt. Einfach zu handhaben, hier ein paar erste Eindrücke:

Jede Gruppe hat ihre Bibliotheken und Diskussionen

Jede Gruppe hat ihre Bibliotheken und Diskussionen

Als nöchstes probiere ich dann aus, digitale Arbeitsblattvorlagen zu verteilen und diese bearbeitet digital abgeben zu lassen

Als nöchstes probiere ich dann aus, digitale Arbeitsblattvorlagen zu verteilen und diese bearbeitet digital abgeben zu lassen

Sep 142014
 

In der 9.Klasse unterrichte ich zur Zeit drei Klassen parallel in Physik. Nach dem Curriculum der Schule ist Leitidee der Jahrgangsstufe „Vernetzung verschiedener physikalischer Bereiche unter dem zentralen Begriff der Energie„, wobei wir uns in einem Übergangsstadium befinden, so dass ich erst einmal Grundlagen der Elektrotechnik einleitend behandle. Ich unterrichte auf Deutsch, meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Jahrgangsstufen auf Spanisch. In meinen Vorbereitungen habe ich mich mit meinem DFU-Unterricht bereits auf sprachliche Besonderheiten vorbereitet, indem ich zunächst Fragestellungen auf Deutsch und Spanisch schriftlich vorstellen wollte. Dies führte dazu, das nur das Spanischsprachige beachtet wurde, somit habe ich die zweisprachige Schriftlichkeit schnell wieder verworfen. Die Klärung organisatorischer Angelegenheiten mit meinen ersten Folien (siehe unten) war hier eine Ausnahme. Sehr bewährt hat sich das laute Vorlesen von Fragen- und Aufgabenstellungen, auch wenn der Unterricht dadurch fachlich sehr langsam wird.

Bereits nach den ersten zwei Stunden in zwei verschiedenen Klassen habe ich festgestellt, dass es auch gar nicht so einfach ist, wenn von der Lehrperson gesagt wird „zur Not auch auf Spanisch“ Antworten geben zu können, denn ab da lief Alles nur noch auf Spanisch. Ich muss mich zwingen, beim Deutsch zu bleiben und habe mir vorgenommen nur noch Einzelnen in Ausnahmefällen spanische Zusatzerläuterungen zu geben, um die eigene Anstrengung der SuS notwendig zu machen. Sinnvoll scheint mir dagegen bisher, Übersetzungen für Fachbegriffe wie „technische Angabe“ oder „Spannung“ im Unterrichtsgespräch zu klären, auch die Wortlisten haben sich bewährt. Sprachlich schwächeren SuS kann mit diesen Listen auch deutlich gemacht werden, welche die wichtigsten Vokabeln für den Fachunterricht sind. Muttersprachlich Deutsche SuS habe ich keine in meinen Physikkursen. Ich werde allerdings nicht durchgängig deutschsprachige Unterlagen verwenden, allein schon, weil wir Experimentierkästen von phywe mit passenden Arbeitsblättern auf Spanisch haben. Dies sehe ich aber auch nicht als Widerspruch, da damit vereinzelt sprachliche Entlastung zugunsten der Fachinhalte mit wenig Unterrichtsvorbereitungszeit möglich ist.

Die erste Unterrichtsstunde stand unter der Leitfrage „Wo habe ich im Alltag mit Elektrizität zu tun?
Ich teilte verschiedene Elektrogeräte aus und liess technische Angaben sammeln. Ein Lernziel war, eine forschende Grundhaltung zu fördern und das Unterrichtsthema im Lebensalltag zu verankern und nebenbei erste Begriffe und Einheiten anzuschneiden. Dies war diagnostisch interessant, weil einige SuS überhaupt keine Vorstellung davon hatten, dass ein Föhn oder ein Bügeleisen technische Angaben hat und die Relevanz der einzelnen Daten nur vereinzelt klar war. So sammelte ich an der Tafel auch Firmennamen, Typenbezeichnungen und vieles mehr, was ich nicht intendiert hatte. Ich wollte die SuS Beiträge aber auch nicht entwerten, da sie sich ja an der Aufgabenstellung orientiert hatten. Zur Systematisierung und Klärung der wesentlichen technischen Angaben und ihrer Bezeichnung kam ich beim dritten Durchgang, den ich stärker lenkte.

Um eine erste Orientierung zu geben, was Stromstärke, Leistung und Spannung beinhalten, habe ich in der zweiten Unterrichtsstunde ein Arbeitsblatt bearbeiten lassen, auf dem technische Angaben mit ihren Bedeutungen verbunden werden sollten. Zusätzlich sollten die zentralen Begriffe unterstrichen werden und alle Lösungen wurden laut vorgelesen. Im zweiten Teil der Stunde bin ich mit einem Tafelbild auf den Stromkreis eingegangen und das nur Strom fliesst, wenn der Kreislauf geschlossen ist.

Die dritte Unterrichtsstunde habe ich erst mit einer Lerngruppe durchgeführt, die anderen beiden kommen nächste Woche. Hier habe ich ein erstes einfaches Experiment in Tischgruppen durchführen lassen zum einfachen Stromkreis mit Lampe und Schalter, um abschliessend im Tafelbild zu festigen, dass die Position der Lampe und des Schalters im Stromkreis nicht entscheidend ist, ob Strom fliesst oder nicht. Phywe stellt in den Experimentierkästen Steckbretter zur Verfügung. Die praktische Arbeit wurde sehr positiv aufgenommen und das Leuchten der Lampe bei richtigem Schaltungsaufbau gab zügig Rückmeldung zu den gestellten Aufgaben. Ich werde hierauf aufbauend Leiter und Nichtleiter sowie verzweigte Stromkreise und die Messungen von elektrischen Größen unterrichten, bevor ich in eine Projektzeit einsteige mit Modellbau in Gruppen. Ob wir dazu kommen, die Projektarbeit mit einem Blog zu dokumentieren, wird sich noch zeigen.

Meine Unterlagen zu den ersten Stunden:

00-Phy9-intro-folien.odp / 00-Phy9-intro-folien.pdf

02-Alltag-u-Geraete.odp / 02-Alltag-u-Geraete.pdf

01AB-Alltag-und-Geräte.odt / 01AB-Alltag-und-Geräte.pdf

02AB-technische-Angaben.odt / 02AB-technische-Angaben.pdf

03-Stromkreis.odp / 03-Stromkreis.pdfI teach physics in the 9th grade in 3 parallel courses and teach energy and electro-technics. All courses are mainly in german, expect some materials in spanish and therefor for all kids in a foreign language. I plan to work in projects but still work with working-sheets and experiments for the basics. One focus is on learning the correct technical terms in german as it will help them with the IB-programm in biology, which is teached and proofed in german.

Jun 072014
 

Nach einer Reisepause im Anschluss an mein Referendariat werde ich ab August wieder mehr auf dem Blog veröffentlichen, da ich ab dann als Lehrer in der Deutschen Schule Cuenca in Ecuador arbeiten werde. Ich bin gespannt auf die neuen Herausforderungen und werde nun wieder verstärkt an Unterrichtsmaterialien und -konzepten arbeiten. Besonders ist an der Schule nicht nur, dass es direkt einen Kindergarten und eine Primaria/Grundschule gibt, sondern auch den Abschluss „International Baccalaureate“ anstelle des Abiturs, also andere Themen und Konzepte in der Oberstufenmathematik.

Nach einer Reisepause im Anschluss an mein Referendariat werde ich ab August wieder mehr auf dem Blog veroeffentlichen, da ich ab dann als Lehrer in der deutschen Schule Cuenca in Ecuador arbeiten werde. Ich bin gespannt auf die neuen Herausforderungen und werde nun wieder verstaerkt an Unterrichtsmaterialien und -konzepten arbeiten.

Okt 272013
 

Wie bereits im letzten Beitrag geschrieben ist das Referendariat nun einige Zeit her, aber besonders fuer diejenigen, denen eine muendliche Pruefung noch bevorsteht, moechte ich hier etwas zu dieser schreiben und meine Unterlagen zur Verfuegung stellen.

Als uebergreifenden Aufhaenger habe ich mir die effektive individuelle Foerderung durch projektorientierten Unterricht und Diagnose fuer die Pruefung ueberlegt. Dies hatte zum einen den Vorteil, das ich in diesem Bereich einige Erfahrungen im Referendariat sammeln konnte und diese aufbereitet darstellen konnte, zum anderen, dass mich projektorientierte Arbeitsweisen ueberzeugen und ich die theoretischen Ueberlegungen zur Entwicklung von Unterrichtsqualitaet interessant finde. Daher hatte ich mir auch als aktuelle Lektuere die Erhebungen von Hattie zugrundegelegt, aber auch Klassiker des Projekt(orientierten) Unterrichtes u.a. von Johannes Bastian. Das Pruefungsgespraech unterstuetzte ich mit farbigen Karten an einer Pinnwand, die in ihrer Struktur dem Handout entsprachen und mir gleichzeitig als Unterstuetzung im Redefluss dienten. Die Pruefung verlief sehr gut und es ergaben sich interessante Diskussionen besonders ueber Potentiale und Grenzen der Projektmethoden.

Hier meine Handouts:

´Wie muss projektorientierter Unterrricht strukturiert sein, um zielorientiert und erfolgreich zu sein?` (Allgemeindidaktik)

´Klassenführung im projektorientierten Unterricht der Mittelstufe: Wie kann die durchgeführte Unterrichtseinheit „Robotik WP-7“ für die Zukunft optimiert werden?´ (Informatik)

 ´Wie kann Diagnose im Spannungsfeld der Lehrerrollen Prüfer und Berater insbesondere in der Vorstufe einer Stadtteilschule gelingen?´ (Mathematik)

Okt 252013
 

Mein Referendariat ist bereits seit einiger Zeit erfolgreich abgeschlossen, aber ich habe noch einige Dokumente, die ich gerne hier veröffentlichen möchte.

Im Rahmen meiner schriftlichen Examensarbeit hatte ich im Frühjahr im Rahmen des Mathematikunterrichtes einer 9.Klasse an der Stadtteilschule einen Ausflug in den Hamburger Hafen durchgeführt und dokumentiert.

Ziel des Unterrichtsversuches war, insbesondere die Stärkung der Bereitschaft, mathematische Erkundungen von realen Sachverhalten durchzuführen. Hierzu ist das Erkennen, Abschätzen und Modellieren von physikalischen und wirtschaftlichen Größen notwendig. Dies sollte und wurde durch einen deutlichen Bezug von mathematischen Herausforderungen auf ihren Kontext und damit in sinnstiftender Auseinandersetzung mit mathematischen Konzepten erreicht.

Titel meiner Hausarbeit war:

Inwieweit fördert die Beschäftigung mit mathematikhaltigen Herausforderungen im Kontext eines außerschulischen Lernortes Kompetenz und Bereitschaft, reale Situationen mit Hilfe mathematischer Mittel zu erkunden?
Eine Untersuchung in einer Klasse mit technischem Profil der Jahrgangsstufe 9 einer Hamburger Stadtteilschule am Beispiel des Hamburger Hafens

Da ich das gesamte Dokument noch einmal durchschauen möchte, bevor ich es gegebenenfalls online veröffentliche, stelle ich an dieser  Stelle zunaechst nur das Inhaltsverzeichnis, die didaktischen Begruendungen und (zu einem spaeteren Zeitpunkt, da ich gerade nicht auf sie zugreifen kann) einige Arbeitsmaterialien zur Verfuegung. Fuer Fragen bin ich gerne per mail oder Kommentar auf dem Blog erreichbar.

3.2 Didaktische Begründung zur Unterrichtssequenz

Ich beziehe mich bei meinem Unterrichtsvorhaben sowohl auf den Bildungsplan für die Hamburger Stadtteilschulen in Mathematik (im weiteren BP-M) als auch auf den Bildungsplan für außerschulische Lernorte (im weiteren BP-AL).
Bei der Planung des Unterrichtsversuches war mir ein besonderes Anliegen, den SuS zu verdeutlichen, dass Mathematik, wie in Kapitel 2.2 erläutert, sich in verschiedenartigen Tätigkeitsfeldern bewährt hat und in Wechselwirkung mit diesen entstanden ist.
Mit einem übergreifenden thematischen Kontext für den Unterricht werden die Vorstellungen der SuS von den Möglichkeiten der Mathematik erweitert, die Vernetzung verschiedener Bereiche der Mathematik gefördert und angemessene Grundvorstellungen von Vorgehensweisen der Mathematik vermittelt. Zudem sollen Erfolgserlebnisse beim Lösen authentischer Probleme die Motivation der
SuS stärken, mathematische Mittel im Alltag zu verwenden.
Wie in Kapitel 2.1 beschrieben sollen Lerngegenstände immer an dem Vorwissen der Lernenden anknüpfen. Ich habe den Hamburger Hafen als Lerngegenstand gewählt, weil jeder Mensch in Hamburg ihn kennt und er wirtschaftlich eine hohe Relevanz für die Stadt hat. Zum Hafen lassen sich unterschiedlich komplexe mathematikhaltige Herausforderungen und Problemstellungen finden, die selbstdifferenzierendes Arbeiten ermöglichen. Durch die eindrucksvollen Mengen- und Größenverhältnisse wird hervorgehoben, wie wichtig mathematische Planung ist, die auch exemplarisch für andere Anwendungsbereiche ist.

Container als prägnante Objekte im Hafen sind durch ihre quaderförmige Form besonders geeignet, schwächeren SuS die Beschäftigung mit Volumina zu ermöglichen. Durch die große Anzahl der Container im Hamburger Hafen wird das Abschätzen von Größenverhältnissen und Mengen motiviert. Die geplanten Inhalte sind laut BP-M in der Unterstufe zu behandeln, allerdings sind sie in meiner Lerngruppe nicht abgesichert erlernt. Zudem bietet sich durch den Profilunterricht die Möglichkeit, zusätzliche Stunden zu nutzen, um das Forschungsumfeld ausreichend auszuleuchten und zu außermathematischen Themen im Kontext zu arbeiten. Ziel ist hierbei weniger die fachliche Berechnung zu beherrschen, als die Nützlichkeit in der Anwendung und die Modellierung der realen Situation zu betonen.

Der Bezug zur Lebenswirklichkeit der SuS ist durch das besondere technische Interesse gegeben; viele SuS streben eine technische Berufsausbildung an, wie es sie im Hafen in großem Umfang gibt. Einige Eltern arbeiten im Hafen bzw. in der Logistik; und so gut wie alle SuS haben den Hamburger Hafen bereits besucht, wenn auch zumeist nur mit Blick von den Landungsbrücken zum Eis essen.
Die Exkursion habe ich in Form einer Busfahrt im öffentlichen Nahverkehr, eines Besuches des Hafenmuseums und einer abschließenden Fährfahrt geplant. Die gemeinsame Anfahrt unterstreicht den Erlebnischarakter einer Exkursion, der, wie in Kapitel 2.3 geschildert, für das informelle Lernen relevant ist. Zusätzlich sind auf dem Weg beeindruckende Mengen an Containern und Hafenstrukturen zu erkennen. Im Hafenmuseum Hamburg sind viele Gerätschaften, Lagerbehälter und Schiffe sowie Kräne für Schulklassen kostenlos zu besichtigen und es sind Expertinnen und Experten anwesend.

Sowohl der öffentliche Nahverkehr als auch das Museum sind keine primären außerschulischen Lernorte in Bezug auf Mathematik, wie in Kapitel 2.3 dargestellt, sondern müssen von mir durch passendes Arbeitsmaterial und Einbettung dahingehend gestaltet werden. In der Fachliteratur zu Museumsbesuchen wird darauf hingewiesen, dass ein Lernzuwachs verstärkt wird „wenn das Lernen im Museum von gut strukturiertem Lernmaterial unterstützt wird.“21 Und im BP-AL: „Das Lernen vor Ort wird dann fruchtbar, wenn es mit einer Aufgabenstellung fokussiert wird, die zum forschenden und selbstgesteuerten Lernen anleitet. “22 Es gibt bereits didaktisch aufbereitetes
Material zum Hafenmuseum23, das ich auszugsweise für den fachlichen Kontext angereichert in einem Forschungsbogen verwenden werde. Die dort eingeforderten freien Formulierungen zu Vorgehensweisen ermöglichen eine Reflexion der SuS und sind diagnostisch für meine Untersuchung wichtig.

Museumsbesuche sind ungewöhnlich im Mathematikunterricht und das Hafenmuseum Hamburg nicht zu vergleichen mit dem Mathematikum in Giessen24 oder anderen mathematikdidaktisch gestalteten Einrichtungen. Es gibt aber im Hafenmuseum Möglichkeiten, mit wenig Aufwand mathematikhaltige Problemstellungen zu entdecken und zu bearbeiten.

Als Sozialform während des Museumsbesuches ist im wesentlichen das Arbeiten in Kleingruppen geplant. Gemeinsame Phasen wird es zu Beginn mit einem Experten des Hafenmuseums geben und zum Abschluss, um gemeinsam mit der Fähre zu fahren. Die Kleingruppen werden bereits in der Vorbereitungsphase an der Forschungsfrage gearbeitet haben. Das kooperative Arbeiten beim Museumsbesuch ermöglicht das Austauschen von Informationen und Meinungen, was neben der Förderung von Sozialkompetenzen auch das Erarbeiten der Lernangebote vor Ort fördert.

Um eine Tagesexkursion in den Hamburger Hafen ergiebig zu gestalten, wird der vor- und nachbereitende Unterrichtsgang für die SuS anspruchsvoller aber auch ergiebiger. Logistische und geographische Grundlagen sind von hoher Relevanz. Die Lösung realer oder realitätsnaher Fragestellungen mit mathematischen Mitteln ist, wie in Kapitel 2.1 beschrieben, anspruchsvoll.
Hierzu sagt der BP-M: „Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten zunächst kleinere Beispiele, bei denen noch nicht der gesamte Modellierungskreislauf durchlaufen wird. “26 Zum Kennenlernen der Vorgehensweise lasse ich zunächst einfache realitätsbezogene Abschätzungen und Teilmodellierungen zu Längen, Flächen und Volumina vornehmen, die teilweise mehrere mögliche Lösungen haben, wie es in realen Situationen häufig der Fall ist. Durch das Lernen mit Material am Beispiel der Beladung eines Containers plane ich, durch enaktive Darstellungen alle SuS in der Auseinandersetzung mit Größenverhältnissen und Volumina von Quadern zu unterstützen.

Es sollen Herausforderungen im Kontext Hafen entdeckt werden und eine Forschungsfrage in Kleingruppen entwickelt werden, die gezielte Interpretation und Strukturierung von Daten erfordert, aber keine vollständige Modellierung. Dies soll die Bereitschaft zur Erkundung komplexer realer Situationen und das Zutrauen der SuS in ihre eigenen Kompetenzen fördern. Zum Einstieg wären
umfangreiche Modellierungen überfordernd.

Während des vor- und nachbereitenden Unterrichtes habe ich verschiedene Sozialformen und Aktionsformen gewählt. Geplant sind sowohl Einzelarbeit und stark gelenkte Phasen als auch forschende Recherchephasen und Erkundungen in Kleingruppen sowie Diskussionen in der
gesamten Lerngruppe. Für die Bearbeitung einer sehr offenen Problemstellung in reiner Forschungsform halte ich die Lerngruppe für nicht selbstständig genug und denke, es würde Überforderung und Enttäuschung eintreten. Die Nachbereitung soll neben einer emotionalen sowie fachlichen Auswertung der Exkursion auch einen Transfer beinhalten, der das Erlernte festigt.

Zur Differenzierung in der Lerngruppe, habe ich unter Berücksichtigung der in Kapitel 3.1 geschilderten Heterogenität Forschungsfragen mit Mindmap-Unterstützung vorgesehen sowie möglichst selbstdifferenzierende Aufgaben in Vor- und Nachbereitung entwickelt.

Jan 172013
 

Diese Woche habe ich eine Hospitationsstunde in der 11.Klasse recht erfolgreich umgesetzt.

Gegenstand der Stunde war ein Text aus dem Bereich meiner Ausbildung. Hierzu hatte ich einleitend einige Folien zum Problemlösen mit Mathematik und zu meiner Ausbildungsstätte, dem DESY (Deutsches Elektronen Synchrotron) und dem Arbeiten an mechanischen Fertigungsmaschinen im Unterrichtsgespräch eingebracht. Leider kann ich die verwendeten Fotos aus Lizenzgründen nicht auf meinem Blog veröffentlichen, aber bei der Eingabe von DESY in Suchmaschinen lassen sich auch so viele interessante Bilder finden.

Anschließend an die Problematisierung verteilte ich Arbeitsblätter in die Kleingruppen und gab den Auftrag, eine Präsentationsfolie vorzubereiten. Dies hatte gegenüber dem Smartboard oder Postern den Vorteil, dass sie zügig beschriftet werden kann und in der Gruppe am Tisch direkt zur Verfügung steht. Es gibt doch immer wieder auch gute Gründe, nicht die modernste, sondern die passendste Technik einzusetzen.

Hier ist die Aufgabenstellung, die zentral für die Stunde war:

Planung der Produktion von Maschinenbauteilen
In einer Firma, die Maschinenteile herstellt gibt es eine Bandsäge, eine Fräsmaschine und eine Drehbank.
Die Bandsäge steht aus betriebsinternen Gründen 9000 Minuten pro Woche zur Verfügung,
die Fräsmaschine 5200 Minuten und die Drehbank 5100 Minuten.
Es sollen drei Maschinenteile hergestellt werden (eine Kegel, ein Flansch und eine Welle).
Der Kegel benötigt 2 Minuten an der Bandsäge, 4 Minuten an der Fräsmaschine und 7 Minuten an
der Drehbank je Stück. Der Flansch benötigt 8 Minuten an der Bandsäge, 6 Minuten an der
Fräsmaschine und keine Zeit an der Drehbank je Stück. Die Welle benötigt 6 Minuten an der
Bandsäge, 1 Minute an der Fräsmaschine und 2 Minuten an der Drehbank je Stück.

Aufgabe:
Berechne die Anzahl der Maschinenteile, die in einer Woche hergestellt werden können,
so dass alle drei Maschinen optimal ausgelastet sind.

Der Text war bewusst komplex gestaltet, um das Strukturieren und mathematisieren von Informationen zu fördern. Dies gelang insgesamt auch recht gut. Die Gelenkstelle zwischen Problematisierung und Erarbeitung hatte ich etwas ungeschickt gestaltet und den Austausch über die Ergebnisse konnte nur angerissen werden abe ansonsten war die Stunde sehr erfolgreich. Die Gruppen entwurfen verschiedene Modell und verwarfen sie teilweise wieder, wie es bei Modellierungsaufgaben typisch ist. Die Sicherung holte ich die anschließende Stunde nach, so dass das Thema abgerundet werden konnte. Besonders zur Sinnstiftung halte ich die Aufgabe für günstig, da Lineare Gleichungssysteme meinen Schüler/innen bisher eher als reines Kalkül begegnet sind und sich im Alltag kaum Anwendungen erschließen.

Spannend war auch, dass eine Gruppe auf eine sehr ungewöhnliche Lösung gekommen war, die auch solide Ergebnisse ergab: Sie gingen schrittweise vor, indem sie erst eine Maschine möglichst effektiv mit zwei Bauteilen auslasteten, um die übrig gebliebene Zeit mit dem dritten Bauteil aufzufüllen. Eine Probier-Methode, die die Einsicht ermöglichte, dass unterschiedliche Strategien zum Ziel führen können.

Hier ist das für die Veröffentlichung gekürzte Material inklusive Stundenentwurf: UE Planung Maschinenbau

Okt 242012
 

Unser Team der 7.Klasse bereitet sich nun schon seit einigen Unterrichtsstunden auf die First Lego League-Teilnahme am 24.November in Hamburg vor.

Der Einstieg in den Wettbewerb gestaltete sich nicht ganz einfach, da eine solche Projektarbeit mit einem engen Zeitfenster und vielen Regeln, Teilaufgaben und Möglichkeiten eine große Herausforderung an Selbst- und Teamorganisation bedeutet und viele Fragen zu Beginn sehr offen sind. Es gibt allerdings viele Unterlagen, unter anderem einen Comic auf der deutschsprachigen Wettbewerbsseite (http://www.hands-on-technology.de/firstlegoleague/saison2012) sowie ein Videoclip mit Details zu allen Missionen (http://www.youtube.com/watch?v=tS6QUsf9XYQ).

Dieses Unterrichtsformat ist eher ungewöhnlich, zudem sind die inhaltlichen Anforderungen mit ihrem jeweiligen Aufwand bei wenig Erfahrung im Umgang mit Robotern schwer abzuschätzen. Auf der anderen Seite verspreche ich mir hier auch Lernchancen, die technische Alltags- und Berufsrelevanz haben. Die inhaltliche Ausrichtung des Wettbewerbes, die gesellschaftlichen Umstände von Technikeinsatz einbezieht, unterstützt meine Bemühungen Vor- und Nachteile sowie Interessensgruppen als Unterrichtsgegenstand aufzugreifen.

Zum Wettbewerb darf nur ein Roboter mitgebracht werden, der aber ganz unterschiedliche Missionen lösen muss, beispielsweise etwas heben, etwas schlagen und etwas umstoßen. Hierfür haben meine Schüler/innen nun erst einmal von mir ausgewählte Missionen versucht mit einfachen Roboter-Umbauten zu lösen, um im zweiten Schritt unseren Wettbewerbsroboter gezielt auf Grundlage der bereits durchgeführten Versuche zu konstruieren.

Eine der ersten Missionen hat unser Team diese Woche bereits ganz gut gelöst.

Weitere Informationen auf meinem Blog zur First Lego League:

Der Spielfeld-Aufbau 2012 (eigenes Bild)

ein erster Prototyp für die Stoffquadrate-Mission (eigenes Bild)

Okt 092012
 

In einer Fortbildung des Landesinstituts für Lehrerbildung in Hamburg zum Thema „interkulturelle Bildung“ haben wir uns an zwei Terminen mit verschiedenen Begriffen von „Kultur“ und Identitäten sowie der Sensibilisierung für einen transkulturellen Perspektivwechsel auseinandergesetzt.

Nach einer allgemeinen fachübergreifenden Einführung zu Identitäten und dem Umgang von Schule mit „Deutsch als Zweitsprache (DaZ)“ Schüler/innen beschäftigten wir uns handlungsorientiert mit Reaktionsmechanismen auf verschiedene „Regel“, um einen Umgang mit ungewohnten Verhaltensweisen durch eine sensibilisierte Sichtweise nachzuempfinden. Hierfür hatten wir ein Kartenspiel nach verschiedenen Regeln an verschiedenen Tischen gespielt ohne die Regeln explizit zu machen. Die Inhalte und Methoden bewegten den Blick weg vom „Problem mit den Schülern“ hin zum eigenen wertschätzenden Umgang mit „Fremdsein“ und dass nicht ohne Weiteres von sich auf andere geschlossen werden kann. Verschiedene Begrifflichkeiten und damit einhergehend Wertungen zu „Kultur“ wurden thematisiert und die Gespräche machten mir noch einmal deutlich, dass Erfahrungen mit „Fremdsein“ einigen Lehrer/innen durchaus fremd ist und wir als Lehrer/innen überwiegend weiß und bürgerlich mit Deutsch als erster Sprache behütet an Gymnasien sozialisiert wurden und somit systematisches Konfliktpotential in Schulen auftauchen muss. Dies einhergehend mit anderen gesellschaftlichen Rollen wie Gender, soziale Herkunft / Klasse und anderen Fremd- und Eigen-Identitätszuschreibungen erzeugt ein sehr komplexes Bild von sozialen Beziehungen in und um Schule.

Interessant fand ich bei der Beschäftigung mit den fachspezifischen didaktischen Überlegungen mit „transkultureller Brille“ (denn schließlich geht es weniger um Interkulturalität, also zwischen Kulturen arbeiten, sondern um die Einübung einer kulturübergreifenden und flexiblen Sichtweise auf kulturelle Praxen) die geringe Ausprägung dieser Sichtweise im Fach Mathematik. Sicherlich scheint Sprachunterricht zunächst naheliegender für eine transkulturelle Sichtweise zu sein, da Sprachförderung zur „Problembehebung“ mit DaZ Schüler/innen allgemein zum Standardprogramm gehört. Auf der anderen Seite erscheint gerade die Formalität und Fachsprache im Mathematik-Unterricht gerade für diese Schüler/inne mit DaZ eine Hürde darzustellen, die auf den Mangel an transkultureller Sichtweise in diesem Feld zurückzuführen ist. Wie in anderen Fächern auch gibt es eine doppelte Herausforderung für diese Schüler/innen, die Fachliche und die Sprachliche. Die Frage, die sich stellt, ist ob diesen Schüler/innen mit mehr Textarbeit und Sprachübungen im Mathematik-Unterricht geholfen ist oder mit bewusster Reduzierung der Fachsprache, um motivierende Erfolgserlebnisse zumindest auf mathematischer Ebenen zu ermöglichen. Ich denke wie häufig im pädagogischen Bereich gibt es nicht eine Antwort, sondern ein mehr oder weniger angemessenes Mischungsverhältnis. Insbesondere ist hierbei wichtig, die Unterrichtsvorbereitung und -nachbereitung immer wieder auch einmal durch eine „transkulturelle Brille“ zu reflektieren.

In unserer Kleingruppen-Arbeit zu Mathematik und transkultureller Bildung diskutierten wir eher über Zugänge zu mathematischen Konzepten allgemein, auch weil wir uns vorher in dieser Konstellation noch nie über didaktische Fragestellungen ausgetauscht hatten. Eines unserer Themen war: „Minus mal Minus gibt Plus“, wie kann das in den Horizont der Kinder gerückt werden? Ein weiteres Thema waren tragfähige Grundvorstellungen und Zugänge zu mathematischen Konzepten über verschiedene Strukturen wie grafische und ikonische Darstellungen und Arbeitsformen. Es wurde in Bezug auf andere Kulturkreise diskutiert, inwieweit Teamgeist und Kooperation in Kleingruppenarbeit stärker ausgeprägt seien und dies für den Unterricht nutzbar sei. Dann diskutierten wir über Aktivierung und Rollen in Gruppenarbeitsphasen sowie Anreize durch positive Verstärkung. Abschließend sprachen wir über Sprache und Mathematik-Unterricht. Mit einer transkulturellen Sichtweise kann in zwei Richtungen argumentiert werden, entweder die verstärkte Verwendung einfacher Sprache im Mathematikunterricht, um das Sprechen über Mathematik zu fördern und zu erleichtern oder entgegengesetzt die Verwendung von Sprache allgemein zu reduzieren, um die Doppelbelastung im Lernprozess zu reduzieren und auf die mathematischen Konzepte zu fokussieren. Viele Schüler/innen mit Deutsch als Zweitsprache haben Schwierigkeiten mit Formulierungen von Aufgaben. Dies lässt sich nach meiner Erfahrung im Sinne einer inklusiven Sichtweise noch weiter verschärfen darauf, dass allgemein auch Schüler/innen mit Deutsch als erster Sprache, die sprachliche Schwierigkeiten haben gleiche Doppelbelastungen erfahren.

In der Fachliteratur finden sich teilweise interessante Ansätze, die gerade die (mathematische) Sprachförderung ins Zentrum stellen, so beispielsweise das Arbeitsbuch „DaZ im Fachunterricht: Mathematik – Statistik für Anfänger“ (1). Auf der anderen Seite finden sich auch Aufgabentypen und inhaltliche Ansätze, die nach erster Sicht eher auf eigene Rassismen und Sensibilisierungen hinterfragt werden sollten. Wenn in Themenheften zu Mathematik und Interkulturalität neben „Tonleitern der Weltkulturen“ und „Kalenderberechnungen“ nur „Intelligenzvergleiche“, „Über- und Unterentwicklung“ und „Kriminalitätsraten“ als Titel auftauchen, darf man sich Sorgen machen, selbst wenn die Themen kritisch aufbereitet werden (was ich nur bedingt beurteilen kann, da ich sie nicht vollständig gesichtet habe, zudem ist einer der Artikel 11 Jahre alt). Da stellt sich die Frage, was für ein Bild von anderen Kulturen in Deutschland vorherrscht. Vergleiche (3) und (4)
Sinnvoll finde ich die folgende inhaltliche Bestimmungen auf der abstrakteren Ebene: „Im Mathematikunterricht kann die Vielfalt kultureller Wurzeln der eigenen Rechenkultur veranschaulicht, die Zahlensymbolik als Ausdruck bestimmter Weltdeutung behandelt oder bei Beispielaufgaben kulturelle Vielfalt repräsentiert werden.“ (http://www.bildungsserver.de/Mathematik-3383.html)
Das Buch „Zahlenwelten“ (2) hat ein ähnliches Mischungsverhältnis von Inhalten, die aus heutiger Sicht eher problematisch bis kontraproduktiv wirken, als auch Ansätze, die ich gerne ausprobieren möchte. Mathematisch logische Spiele aus anderen Kulturkreisen wie Patolli im Unterricht zu verwenden hat eben einen solchen wertschätzenden Bezug zu anderen Kulturen. Andererseits wird auch angeregt, statistisch „Ausländer an unserer Schule“ zu erheben und Berechnungen zu Unterkünften für Flüchtlinge anzustellen, die sicher kritisch begleitet Einsichten ermöglichen in gesellschaftliche Problemfelder, aber ebenso verstanden werden können, wie oben bereits benannt, dass andere Kulturen oder Kinder mit DaZ immer im negativen Kontext erwähnt werden oder als „das Andere“ dargestellt werden, statt ins Zentrum zu rücken, dass es kein „normal“ und „anders“ gibt, sondern alle Menschen in gewissen Kontexten als „normal“ gelten und in anderen als „anders“.

Zu unterscheiden bleibt das „strukturelle Mitdenken“ von transkultureller Bildung, z.B. durch Sprachwahl und Darstellungsarten und „inhaltliche Wandlung“ z.B. in Form vom wertschätzendem Aufgreifen verschiedener kulturell-historischer Wurzeln der Mathematik als Thema im Unterricht oder auch problemorientierte Beispiele, die nicht auf Fragestellungen aus dem Deutschen oder Europäischen Raum begrenzt bleiben.
Zum ersten Ansatz ist folgende Betrachtung hilfreich: „Betrachtet man das Spektrum schulischer Fächer genauer, so stellt sich heraus, dass es in allen Fächern kulturelle und fachgeschichtliche Prämissen und Traditionen gibt, die sich bei einer „interkulturellen Revision“ – mal mehr, mal weniger – als sperrig erweisen.“ (3) Beim zweiten Ansatz ist immer auch die Hinterfragung der eigenen Position als wohlmöglich Weißer Europäer mit Deutsch als Erstsprache unabdingbar, ist doch schnell aus gutem Vorhaben ein schräges Bild geworden, in dem es nicht um eine transkulturell reflektierte selbstbestimmte Identität der Schüler/innen, sondern um Zuschreibungen mit einhergehenden Wertungen von außen geht. Hier sollte nach meiner Einschätzung die Schüler/innen-Zentrierung in der Methodik besonders stark gemacht werden.

Literatur zum Thema:

(1) Nina Bödeker Olaf Gent: „DaZ im Fachunterricht: Mathematik – Statistik für Anfänger“ 5./6. Klasse, Persen Verlag 2010 (http://buecher-de.welt.de/shop/deutsch-als-fremdsprache/mathematik-statistik-fuer-anfaenger/boedeker-nina-gent-olaf/products_products/detail/prod_id/30530497/)

(2) Joachim Schroeder: „Zahlen-Welten: Bausteine für einen interkulturellen Mathematikunterricht“ Armin Vaas Verlag, 1994 (http://www.buchpreis-suche.de/zahlen-welten-bausteine-f%C3%BCr-einen-interkulturellen-mathematikunterricht.htm)

(3) Mathematik-Unterrichts-Einheiten-Datei e.V. „interkulturelles Lernen„: http://www.mued.de/html/inhalte/i3-multikulti.html

(4) Handreichung: Impulse für das interkulturelle Lernen Forum 1 / 2001, UNESCO Projekt Schulen http://www.ups-schulen.de/forum/01-1/forum-27-37.pdf

(5) S.Prediger: „Mathematiklernen als interkulturelles Lernen – Entwurf für einen didaktischen Ansatz„, in: Journal für Mathematikdidaktik 22 (2001) (http://www.mathematik.uni-dortmund.de/~prediger/veroeff/01-jmd-ml-as-ik.html)