Heute war wieder EDchatDE, der 100. zum Thema „digital literacy / digitale Kompetenzen“ und ich hatte zumindest etwas Zeit heute, in der Mittagspause dabeizusein. Vieles ging mir zu schnell, deshalb sammel ich hier noch einmal einige Gedanken.
Ich will mich gar nicht aufdrängen als Informatiklehrer, aber mir fällt doch immer wieder auf, wie selten der Begriff „Informatik“ im Kontext digitale Medien fällt, wenn nicht gerade Informatiker/innen diskutieren (was heute teils-teils der Fall war). Liegt das am Bild der Informatik bei medienaffinen Nicht-Informatiker/innen? Müssen bestimmte Konzepte übersetzt, anders formuliert oder gefasst werden? Immerhin sind die Rahmenpläne zumindest in Hamburg so, dass viele der gewünschten digitalen Medienkompetenzen dort eingebettet sind.
Dort heisst es unter anderem „Im Informatikunterricht erarbeiten sich die Lernenden Grundbausteine einer Medienkompetenz, indem sie die Struktur von Informatiksystemen sowie deren Wechselwirkungen mit den Nutzern analysieren und selber mediale Produkte und Informatiksysteme gestalten.“
Verbindliche Inhalte sind „Text Dokumente“, „Kommunikation“, „Grafik“ und „Präsentation“, also alles Konzepte, die auch mediendidaktisch relevant sind und Freiraum bieten für Ausgestaltung mit Social Software. Warum also wird an neuen Begriffen und Fächern diskutiert, statt die Forderung zu unterstützen die Informatik in der Schule verbindlich und für Alle zugänglich zu unterrichten? Möglicherweise könnte dies zur Versöhnung auch als „Medieninformatik“ deutlicher profiliert werden und die Lehrer/innen-Ausbildung für ein Fach Medieninformatik einen Fokus auch auf mediendidaktische Fragen legen, die bisher in der Informatik-Ausbildung fehlen. Generell ist eine grundlegende Kenntnis, wie Informationsverarbeitung stattfindet und wie Informatiksysteme aufgebaut sind (und damit meine ich nicht Programmierung) und was das für die Gesellschaft bedeutet, nicht nur allgemeinbildend, sondern alarmierend relevant.
Zu der Einschätzung, dass viele Kompetenzen „so nebenbei“ im Fachunterricht der etablierten Fächer abgedeckt werden, habe ich im Chat mal provokant eingestreut, dass das mit der deutschen Sprache ja auch ähnlich interpretiert werden könnte – die wird ja genauso wie Medien und Computer irgendwie in allen möglichen Fächern angewendet, da könnte das Fach Deutsch doch gleich abgeschafft werden…
Da sehe ich genau den Unterschied zur Diskussion in der Gesellschaft für Informatik zum Beispiel. Im Pressespiegel finden sich viele Argumente für eine Stärkung der Informatik in der Schule, die über Anwendung von Rechnern hinausweist. Auf der anderen Seite fehlt auch der Twitter-Button auf der GI-Seite und es gibt auch die Informatik-Affinen, die lieber im konsolenbasierten Chat kommunizieren, denen sämtliche Social-Software ohnehin zu unsicher ist oder die lieber vor sich hinwerkeln, als in offenen Kanälen zu kommunizieren.
(Kleiner Nachtrag: Ich habe die GI doch noch gerade bei Twitter gefunden: https://twitter.com/informatikradar)
Eines der scheinbar gewichtigsten Gegenargumente zur Durchsetzung eines Pflichtfaches Informatik deutet sich immer wieder an: „Ein regelrechtes Fach Informatik werde es aber nicht geben, weil dafür ein anderes wegfallen müsste, erläuterte der Minister.“ (http://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article142616969/Suendenfall-der-Schul-Informatik-schon-2004.html)
Wenn das und der Mangel an Fachkräften zum Unterrichten die größten Sorgen von Behörden und Verantwortlichen im Kontext der Stärkung einer informatischen Grundbildung sind, sieht Deutschlands digitale Zukunft weiterhin wenig vielversprechend aus.
>“Ein regelrechtes Fach Informatik werde es aber nicht geben, weil dafür ein anderes wegfallen müsste, erläuterte der Minister.“
Höre ich auch immer wieder; in Bayern wurde das Fach aber eingeführt ohne Wegfall eines anderen. Dieses Argument ist völliger Quatsch. Dass die anderen Fächer Platz machen müssen, das stimmt allerdings.
Ich denke, „Informatik“ klingt einfach wie ein weiteres Schulfach neben anderen. Und viele der Lehrer auf Twitter sind ja eh schon gegen reguläre Fächer, gegen Fächer überhaupt, und erhoffen sich von sinnvoller Mediennutzung eine Revolution der ganzen Schule. Und das klingt nicht nach einem Fach Informatik.
Klar, dem stimme ich „utopisch“ zu, dass es wünschenswert ist, die Fächerlogik aufzuweichen zugunste von reichhaltigen Projektarbeiten, die Kompetenzen im Kontext fördern, nicht in Schubladen. Von der Praxis her ist das gar nicht so schwer zu realisieren, in jedem Unterricht beschränke ich mich ja nicht auf ein Fach. Ich lehre immer Sprache mit, Recherche, Strukturierung von Inhalten und wende Aspekte an, die (mehr oder weniger, in Mathe zum Beispiel immer noch zu selten) über das Fach hinausragen.
Ich bin da nicht dogmatisch, was die Begriffe angeht, aber der Stellenwert der Kompetenzen, über die wir diskutieren, muss eindeutig mehr Prioriät bekommen. Und meine Sichtweise als Lehrer, der in Schule arbeitet ist da vielleicht pragmatischer als die vieler „freier“ Medienpädagogen oder Bildungsinteressierter.