Nun bin ich seit einigen Wochen schon wieder in Hamburg. In meiner Schule in Ecuador sind nun Sommerferien – einige meiner Schüler/innen haben den Abschluss geschafft, andere nicht. Ansonsten bin ich noch nicht dazu gekommen, all meine digitalen wie analogen Materialien durchzustöbern nach Nützlichem fürs nächste Schuljahr, aber das mach ich dann gegen Ende der Ferien im August. Als in Deutschland Abgemeldeter müssen erst einmal alle möglichen Papiere ausgefüllt werden, zum Glück ging das mit fester Jobzusage relativ unkompliziert bisher. Die Menschen sind nicht unfreundlicher, aber gefühlt weniger interessiert und distanzierter. Alles wirkt kontrollierter und geregelter im Vergleich, was aber auch nicht nur Nachteile mit sich bringt. Auffällig für mich sind vor allem die gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmittel, eine größere Auswahl an Softgetränken sowie ewig lange Sommertage.
Viel Zeit für Familie und Freund/innen, ein erster Besuch in meiner neuen Schule, einem Gymnasium in Hamburg-Wandsbek und ein paar Eindrücke von der schulischen Situation in Hamburg auf dem heutigen MINT-Forum sind einige Themen, die mich gerade beschäftigen.
Auf den ersten Blick hat sich die Situation für informatische Bildung in Hamburg in den drei Jahren, die ich hier nicht mehr unterrichtet habe, nicht verändert. Zumindest nicht zum Besseren. Auf dem Forum heute gab es einiges in den Laboren der HAW zu sehen, was mit aktuellen Entwicklungen der Informatik zu tun hat, z.B. Systeme, die die Mensch-Computer-Interaktion viel umfangreicher ermöglicht, als dies vor einigen Jahren der Fall war. Auch in dem Vortrag von dem Professor für Angewandte Informatik der HAW, Kai von Luck, kamen interessante Ansätze vor, die in den „Sandkästen“ der universitären Forschung entstehen.
Ernüchternd dagegen die Situation in Schulen. Keine Erweiterung des Informatik-Unterrichtes und scheinbar auch kein politischer Wille, das Schattendasein des Faches als Wahlpflichtbereich in der Sek1 zu verändern. Am heutigen Vormittag habe ich leider eine Veranstaltung zum Projekt „Start in die nächste Generation“ zu BYOD (bring your own device) in der Schule verpasst, wo aber nach Aussage eines Kollegen den ich nachmittags traf von politisch Verantwortlichen auch eher die Perspektive vertreten wurde, das alle Fächer digitale Medien anwenden sollten und damit das Thema zu genüge abgedeckt sei.
Die Frage, die mich seit Beginn meines Studiums zum Informatik-Lehramt begleitet und sich heute ähnlich darstellt wie vor zehn Jahren, ist, inwieweit a.) informatische Bildung von nicht-Informatiker/innen in anderen Fächern ausreichend „nebenbei“ abgedeckt wird, ob b.) die Schüler/innen ohnehin soviel mit Rechnern zu tun haben, dass sie quasi als „digital natives“ keine Unterstützung in der mündigen Handhabung brauchen oder ob c.) informatische Bildung schlicht von vielen Akteur/innen im (schulischen) Bildungskontext nicht als besonders relevant oder zumindest nicht als allgemeinbildend angesehen wird.
Ergebnisse von Studien (beispielsweise ICILS) zeigen, dass die informatische Bildung junger Menschen in Deutschland eher mittelmäßig ist, ebenso sind meine subjektiven Erfahrungen in Schulalltag und in Gesprächen mit vielen Lehrkräften, die digitale Medien einbinden und damit Unterricht gestalten, dass informatische Inhalte nicht ausreichend „nebenbei“ behandelt werden (können) oder andere Vorstellungen über diese herrschen, als diese Informatiker/innen haben. Beispielsweise ist es gut, Anwendungen bedienen zu können, aber besser auch zu verstehen, warum sie wie gebaut wurden. Entmystifizierung der Technik und das Feld nicht einer kleinen Gruppe Experten (überwiegend Männer) überlassen müssen gehört für mich zu informatischer Bildung.
Bevor ich mich wiederhole in vielen Themen (siehe beispielsweise hier) bleibt mir nur festzustellen, dass das Fach Informatik und die informatische Bildung in Schule sowohl in Hamburg als auch scheinbar im gesamten deutschsprachigen Raum weder die angemessene Zuwendung bekommt (angemessen nicht aus ökonomischer, sondern gesellschaftlicher Sicht – schliesslich geht es um Mündigkeit und Teilhabe in einer von Informatiksystemen mehr und mehr durchdrungenen Gesellschaft) noch dass sich in absehbarer Zeit etwas an der Haltung von Entscheidungsträger/innen ändern wird.
Zumindest im Kleinen lassen sich Unterricht und kleinere Projekte auch mit engagierten Kolleg/innen gestalten, beispielsweise freue ich mich schon auf die Fachtagung der SH-HILL Anfang Dezember in Lübeck. Ein interessantes Dokument neueren Datums in diesem Zusammenhang ist auch die Dagstuhl-Erklärung.
>inwieweit a.) informatische Bildung von nicht-Informatiker/innen in anderen Fächern ausreichend “nebenbei” abgedeckt wird,
Wenn es tatsächlich um informatische Bildung geht: Nein. Man kann höchstens sagen, dass informatische Bildung nicht wichtig ist.
>ob b.) die Schüler/innen ohnehin soviel mit Rechnern zu tun haben, dass sie quasi als “digital natives” keine Unterstützung in der mündigen Handhabung brauchen oder ob
Auch nein.
>c.) informatische Bildung schlicht von vielen Akteur/innen im (schulischen) Bildungskontext nicht als besonders relevant oder zumindest nicht als allgemeinbildend angesehen wird.
Ja.
Dazu kommen die ganz Progressiven, die am liebsten Fächer überhaupt abschaffen würden (Finnland, Finnland, Finnland), und deshalb schon mal kein Informatik wollen.
Dagstuhl… da ich aus einem Bundesland mit Fach Informatik komme, ist das für mich eher ein Rückschritt. Aber was verstehe ich schon von Bildungspolitik in den Ländern.