Mit zwei siebten Klassen haben wir letzte Woche den von Nils Buchholtz entwickelten Mathematischen Stadtspaziergang Hamburg für Klasse 7 zum Thema Prozentrechnung durchgeführt. Dieser entstand als Forschungs- und Entwicklungsprojekt zum außerschulischen Lernen des Arbeitsbereichs Didaktik der Mathematik der Universität Hamburg.
Im Material heißt es zu den Zielen des Vorhabens: „Der mathematische Stadtspaziergang Hamburg verfolgt das Ziel, Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, Mathematik außerhalb des Klassenzimmers anzuwenden und Mathematisierungskompetenzen zu erwerben. Ein Grundgedanke ist dabei, dass Schülerinnen und Schüler mathematische Aufgaben und Probleme an speziell ausgezeichneten Objekten in der Stadt oder in der Umgebung durch Abschätzung oder Messung von realistischen Größen lösen und dazu selbstständig mathematische Modelle aufstellen.“
Unsere Mathematik-Fachschaft hatte vor meiner Zeit an der Schule beschlossen, die beiden vorhandenen Spaziergänge (Klasse 7 Prozentrechnung, Klasse 8 Satz des Pythagoras) im Fachcurriculum zu verankern. Ich finde das prima und denke, dass das praktische Mathematisieren den Schüler_innen sehr hilft, Mathematik auch tatsächlich zu gebrauchen und anzuwenden. Ich hatte während meines Referendariates ebenfalls mit außerschulischen Lernorten im Mathematik-Unterricht experimentiert. Der Umfang von etwa vier Unterrichtsstunden, also etwa einen halben Exkursionstag, steht voll im Verhältnis zum Lernpotential.
Das Material erleichtert die Vorbereitung und Durchführung mit fertigen Kopiervorlagen, Arbeitsaufträgen und Hinweisen. Alles verlief wie geplant, die Zeiten passten gut und die vier Stationen lagen gut erreichbar nah beieinander. Ein Problem war die Kälte, oder vielmehr die unzureichende Vorbereitung einiger Schüler_innen, die trotz mehrmaliger Hinweise im Vorfeld keine passende Kleidung anhatten und schnell anfingen zu frieren. Sicherlich ist ein solcher Spaziergang im Sommer angenehmer, aber fachlich und organisatorisch passt es gerade im Januar kurz vor den Zeugnissen ganz gut.
Nicht immer war sofort klar, was denn nun eigentlich zu messen und zu berechnen sei. Genau das macht den Wert solcher praktischen Arbeiten aus, dass abschätzen, modellieren und abwägen gefordert wird und Fragen im Kontext stehen, nicht wie leider im Mathematik-Unterricht immer noch anzutreffen als eingekleidete Schulaufgabe, die außerhalb der Schule nie eine Berechtigung hätte.
Echte Anwendungen, Konstruktionen und technische Planungen erfordern Mathematik, die auch mit verhältnismäßig einfachen Werkzeugen wie der Prozentrechnung bereits erfahrbar sind und damit die Sinnstiftung des Mathematik-Unterrichtes fördern. Die Herausforderung liegt gerade nicht im Rechnen, das oft recht trivial ist, sondern im Treffen von Entscheidungen, welche Informationen und Werte relevant sind zum Lösen eines Problems und welche mathematischen Modelle passend und angemessen sind. Dafür braucht es Zeit zum Vor- und Nachbearbeiten sowie zum Reflektieren. Und natürlich ist es nicht mit einer Durchführung getan, sondern sollte mit der entsprechenden Lerngruppe möglichst in verschiedenen Kontexten immer mal wieder geübt werden.
Ein paar Zitate aus der schriftlichen Auswertung meiner Klasse (Rechtschreibung korrigiert):
„Wir haben Aufgaben in echt gesehen“
„Wir haben interaktiver gearbeitet, hatten mehr Spaß bei den Aufgaben und zwischendurch Pausen“
„Wir haben Aufgaben gemacht, die nicht nur auf einem Blatt waren“
„Es war schön die Mathematik auf echt basierenden Dingen anzuwenden und nicht an Menschen, die im Supermarkt 100 Wassermelonen kaufen.“
Aber auch kritische Stimmen:
„Nicht alle haben immer mitgerechnet“
„Die Jahreszeit ist kalt“
„Das war schwer, weil wir erstmal nicht verstanden haben was man machen soll und als wir es verstanden haben hatten wir zu wenig Zeit.“
„Ich wusste zuerst nicht, wo die Rampe war“