Nachdem ich mir das Handbuch von Josef Leisen schon voriges Jahr von der Didacta mitbringen lassen habe, bin ich nun endlich gründlich mit dem ersten Teil, dem „Grundlagenteil“ durch. Überflogen und ausprobiert hatte ich das eine oder andere bereits vorher, aber wie es so ist, fehlt im Schulalltag oft Zeit für nicht direkt anlassbezogene Lektüre.
Ich bin nun im zweiten Schuljahr an einer Deutschen Auslandsschule und durch meinen DFU (deutschsprachigen Fachunterricht) Unterricht immer auf der Suche nach Ideen, wie dieser Fremdsprachen-Fachunterricht sich verbessern lässt. Das Handbuch richtet sich nicht explizit an DFU-Lehrer/innen, aber ist für diese mit Ansätzen zur gezielten Sprachförderung im Fach besonders wertvoll.
Wie bereits an anderer Stelle beschrieben gibt es kaum Material, schon gar keine Schulbücher, die für den DFU Unterricht geeignet sind. Eine Ausnahme bildet Michael Maiworm mit seinem DFU-Cockpit, ehemals Deutsche Schule Mexiko-Stadt, dessen Materialien von Fachlehrer/innen für Fachlehrer/innen konzipiert sind und die ich und Kolleg/innen bereits erfolgreich verwenden konnten. Auch interessant, besonders zur Gestaltung von Arbeitsmaterialien, finde ich den Ansatz der „leichten Sprache„.
Zurück zum Handbuch: Im Grundlagenteil werden unter anderem Konzepte der Fremdsprachendidaktik dargestellt, die für mich neu waren, typische Situationen und Strategien im Unterrichtsgespräch und Auswahlkritieren für Texte, Lese- und Schreibanlässe im Unterricht mit sprachschwachen Lernern oder Schüler/innen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist. Ich vermute auf Distanz, das durch die aktuelle Situation in Deutschland (aber auch 2013, als ich das letzte mal an einer Schule in Deutschland unterrichtete) die Beschäftigung mit Sprache im Unterricht eher an Relevanz gewonnen hat, so dass das Handbuch sicher auch im „Inland“ Unterstützung in der Schulpraxis bieten kann.
Ein Aspekt, den ich immer wieder vergesse ist die Schwierigkeit der Fachsprache. Mit Studium und Erfahrungen verwenden Lehrer/innen oft selbstverständlich lauter komplexe Wörter, die für nicht-Erstsprecher/innen (und nicht nur diesen) enorm schwer verständlich sind. Schon Nuancen der Verwendung können unnötig verunsichern oder frustrieren. Im Vergleich zum Spanischen fallen mir in der letzten Zeit immer wieder die vielen zusammengesetzten Begriffe im Deutschen auf. „Spannungsmessgerät“ ist dabei noch fast harmlos, wobei es auch schon eine Kombination von drei Wörtern darstellt. Ich habe hier im Gegensatz zu Lehrer/innen in Deutschland den Vorteil, dass meine Lerngruppen homogen in ihrer Erstsprache sind, d.h. fast ausschließlich spanisch sprechen, so dass ich auch einmal schnell einzelne Begriffe übersetzen kann.
Die „gelingende Kommunikation“,die Leisen als Priorität im Fachunterricht benennt, ist für mich offensichtlich, wenn ich mir anschaue, wie Schüler/innen um Begriffe ringen (so wie ich es im Spanischen manchmal auch noch tue) und eine Vorstellung haben, auch wenn sie nicht passgenau ist. Mit Gestik und Mimik lässt sich vieles ebenfalls gut unterstützen.
Das Sprachbad, welches wiederum (zur Sprache Deutsch) in Deutschland vorhanden ist und hier in Lateinamerika so gut wie gar nicht existiert, wird besonders wie jetzt gerade nach den Karnevalsferien deutlich, wo über die Woche viele Begriffe verschüttet wurden. Interessant und neu für mich war auch die Unterscheidung von BICS und CALP und damit grob vereinfacht „Alltagssprache“ und „Bildungssprache“, welche nicht automatisch auseinander hervorgehen. Wenn das fachliche Lernen und das Sprachlernen zusammenfallen, werden beispielsweise spanische Begriffe wie „generador“ genauso wenig verstanden, die der deutsche Begriff „Generator“, also gehen Übersetzungen teilweise am Kern vorbei. Ein fieses Beispiel aus der Physik ist auch „fuerza / Kraft“, welches Fachsprachlich und Alltagssprachlich auseinandergeht.
Ich könnte noch viel über das Handbuch schreiben, über das Erstellen von Texten (was wir als Fachlehrer fast ausschliesslich aus Mangel an passendem Material selbst machen), über das Schreiben und Beurteilen von Texten, Darstellungsformen und die Fördeung von Stragie-Kompetenzen, aber möchte hier auch nicht zu sehr ins Detail gehen. Als nächstes schaue ich mir den Praxisteil noch einmal genauer an.
Abschliessend vielleicht noch eine Bemerkung, dass ich den Eindruck habe, dass auch der von Leisen vertretene sprachsensible Fachunterricht meine Vorstellungen von einer projektorientierten Unterrichtsgestaltung stützt. „Wortschatzarbeit“ im sinnstiftenden Kontext statt „Vokabeln“ nach Kapiteln passt zu einer Gestaltung anhand von Lernzielen und Kompetenzen statt fachlich-deduktivem Aufbau. Vor einer Woche hatte ich ein Experiment zu Reihen- und Parallelschaltung in der 9.Klasse umgesetzt und passend kamen die sprachlichen Fragen, zum Beispiel: „Wie sagt man mehr hell?“ zu im Kontext benötigten Steigerungsformen, um die Beobachtungen zu beschreiben – also eine Steilvorlage, anlassbezogen statt in einer Grammatikeinheit das wichtige Konzept der Steigerungsformen zu wiederholen / zu thematisieren.
Echte Sinnstiftung in der Sprachföderung, die leider auch nicht immer klappt aber immer mal wieder und dabei Hoffnung macht und mich motiviert!